Gedanken der Schulleiterin

Vor 100 Jahren, mitten im Krieg, am 26.08.1916, beschloss der Magistrat von Rosenheim die Errichtung einer Mädchenmittelschule. Sie sollte von den Armen Schulschwestern geleitet werden und daher der bestehenden „Städtischen Höheren Töchterschule mit Erziehungsinstitut" angeschlossen werden. Am 15. September 1916 trat die dreiklassige Mädchenschule ins Leben. Sie begann mit der 1. Klasse, 30 Schülerinnen zählend. Heute haben wir 660 Schülerinnen in 28 Klassen.

Mit der Gründung einer Städtischen Mittelschule ermöglichten die Armen Schulschwestern und die Stadt Rosenheim Mädchen den Zugang zu allgemeiner Bildung. Dieses Ziel prägt unsere Schule seit 10 Jahrzehnten. Lange vor der rechtlichen Gleichstellung der Frau haben die Armen Schulschwestern erkannt, wie wichtig es ist, Mädchen zu fördern und ihnen den Zugang zur Bildung zu ermöglichen. Obwohl es Mädchen offiziell nach 1900 schon erlaubt war, eine höhere Schule zu besuchen und sogar das Abitur zu machen, lief diese Möglichkeit in der Praxis wegen des damaligen Verbots der Koedukation ins Leere. Es gab nur sehr vereinzelt weiterführende Schulen für Mädchen. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts ist der gemeinsame Unterricht von Buben und Mädchen selbstverständlich geworden. Seit den 80-er Jahren löst dieses Prinzip wieder ernsthafte pädagogische Debatten aus. Namhafte Pädagogen ziehen die Koedukation auf Grund empirischer Untersuchungen erneut in Zweifel.

An unserer Schule hat sich die Beschränkung auf Mädchen trotz mancher vorurteilsbehafteter Meinungen voll bewährt. Die Elternschaft unserer Schülerinnen entscheidet sich bewusst für unsere Schule, nicht zuletzt, weil es eine Mädchenschule ist. Nicht nur in der Fortführung der Mädchenschule, sondern auch in der Wertevermittlung empfinden wir uns als traditionsreiche Schule. Tradition heißt für uns, aus dem Wissen der vergangenen 100 Jahre Bewährtes festzuhalten und darauf aufzubauen und so die Kultur unserer Schule weiterzuentwickeln.

 

Schule kann nur gelingen, wenn sie sich an gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen orientiert, jedoch unverzichtbare Werte wie Verantwortungsgefühl, soziales Miteinander und die Achtung der Menschenwürde nie aus den Augen verliert. Die Nachfrage nach einer an gesellschaftlichen Normen orientierten Werteerziehung und damit nach einer gemeinsamen Basis im Zusammenleben nimmt ständig zu. An dieser Stelle werden große Anforderungen an die Schule gestellt, die neben dem Elternhaus den größten Teil der Erziehung übernimmt. Der Drang nach Selbstentfaltung ist groß und hat zur Folge, dass immer mehr Individualisten in den Vordergrund treten, die sich nur schwer gemeinsamen Strukturen unterordnen wollen.

 

Neue Familienstrukturen und damit einhergehende Veränderungen führen dazu, dass der Sozialverband „Familie" als erste Vermittlungsinstanz von Grundwerten nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Dies verändert den Anspruch an die Schule, deren Bedeutung in der Wertevermittlung zunimmt. Zudem wird im Zuge der Globalisierung von den Menschen in zunehmendem Maß Offenheit gegenüber fremden Kulturen und Lebensweisen gefordert, die interkulturelles Lernen und entsprechende Werte notwendig macht. Auch die Berufswelt fordert Einsteiger, die sich an vorgegebenen gesellschaftlichen Werten orientieren und diese verinnerlicht haben.

 

Heute sind die Erwartungen an die Schule besonders groß. Um die vielen Herausforderungen zu bestehen, haben wir uns das Profil einer wertorientierten Bildung und Erziehung gegeben, nämlich das Profil der UNESCO-Projekt-Schule. Wir sind selbstverständlich eine ganz „normale" Schule, die Wissen und Fertigkeiten vermittelt, im Besonderen aber bestrebt ist, Ziele der UNESCO in unseren Lebensraum Schule einfließen zu lassen.

 

Drei Leitgedanken hat sich die Schule gewählt:

 

• umfassend bilden

 

• einander begegnen

 

• die Umwelt achten

 

Den Leitgedanken „einander begegnen" greifen wir in der Schulpartnerschaft mit Kitzbühel bzw. im Schüleraustausch mit zahlreichen Ländern wie Japan, Spanien, Italien und Estland auf.

 

Da erreichte Ziele keine Endpunkte sein dürfen, sondern dazu auffordern, zukunftsweisend weiterzuarbeiten, haben wir in diesem Schuljahr erstmalig zwei gebundene Ganztagesklassen eingerichtet. 50 Mädchen sind der Schule von 7.50 Uhr bis 16.00 Uhr anvertraut.

Gemeinsames Lernen, ein gelebtes Miteinander sind die Herausforderungen, die an diese Klasse gestellt werden.

 

So wünsche ich unserer Schule eine glückliche, erfolgreiche, friedliche und gesegnete Zukunft.